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Anwendbarkeit des FernUSG auf Online-Coachingdienstleistungen

 

Einleitung

Das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) zielt darauf ab, Teilnehmer von Fernunterrichtsveranstaltungen zu schützen, indem es spezifische Anforderungen an die Anbieter solcher Dienstleistungen stellt. Mit der zunehmenden Verbreitung von Online-Coaching und digitalen Lernformaten stellt sich die Frage, wie das FernUSG auf diese modernen Lehrmethoden anzuwenden ist. In diesem Artikel werden die Anwendbarkeit und die rechtlichen Rahmenbedingungen des FernUSG im Kontext von Online-Coaching untersucht. Dazu werden aktuelle Urteile analysiert, um die rechtlichen Anforderungen und deren praktische Umsetzung zu verdeutlichen.

Grundlagen des FernUSG

Das FernUSG regelt den Schutz von Teilnehmern an Fernunterrichtsveranstaltungen und stellt bestimmte Anforderungen an Anbieter solcher Dienstleistungen. Zu den zentralen Bestimmungen gehören:

  • § 1 FernUSG: Definition von Fernunterricht.
  • § 7 FernUSG: Nichtigkeit von Verträgen bei Verstößen.
  • § 12 FernUSG: Zulassungsvoraussetzungen für Fernunterrichtsangebote.

Das Gesetz definiert Fernunterricht als eine Form des Unterrichts, bei der der Unterrichtserfolg überwiegend ohne unmittelbaren Kontakt zwischen Lehrendem und Lernendem kontrolliert wird. Dies schließt sowohl traditionelle Fernkurse als auch moderne E-Learning-Formate ein, sofern die genannten Kriterien erfüllt sind.

Ein wichtiger Aspekt des FernUSG ist die Zulassungspflicht für Anbieter von Fernunterricht. Diese Zulassung soll sicherstellen, dass die Bildungsangebote qualitativ hochwertig und transparent sind. Anbieter müssen umfassende Informationen über die Inhalte, Kosten und Dauer ihrer Kurse bereitstellen und sicherstellen, dass Teilnehmer ein Widerrufsrecht haben.

Aktuelle Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des FernUSG auf Online-Coaching

LG München I, Urteil vom 12.02.2024, Az. 29 O 12157/23

Das LG München I entschied, dass ein Online-Coaching, das über Live-Videokonferenzen abgehalten wird, nicht unter das FernUSG fällt. Das Gericht argumentierte, dass bei Live-Sitzungen keine räumliche Trennung im Sinne des FernUSG vorliegt. Zudem wurde festgestellt, dass Programme, die sich auf Persönlichkeitsentwicklung und Geschäftsaufbau konzentrieren, nicht die typische Form des Fernunterrichts darstellen, da sie keine systematische Überwachung des Lernerfolgs erfordern.

In diesem Fall ging es um einen Anbieter von Online-Coaching-Dienstleistungen, der über Live-Videokonferenzen seine Programme anbot. Die Klägerin, ein Kunde, argumentierte, dass das Angebot des Anbieters dem FernUSG unterliege und daher eine Zulassung gemäß § 12 FernUSG erforderlich sei. Der Anbieter hingegen war der Meinung, dass seine Programme nicht unter das FernUSG fallen, da sie auf Echtzeit-Interaktionen basieren und somit keine räumliche Trennung vorliegt. Das Gericht stellte klar, dass Programme, die sich auf Persönlichkeitsentwicklung und Geschäftsaufbau konzentrieren und durch Live-Videokonferenzen durchgeführt werden, nicht die typische Form des Fernunterrichts darstellen. Die Entscheidung des Gerichts war daher, dass das FernUSG in diesem Fall nicht anwendbar sei, was die Anforderungen an Anbieter von Online-Coaching-Dienstleistungen in Bezug auf das FernUSG deutlich machte.

OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023, Az. 2 U 24/23

Das OLG Köln stellte fest, dass das FernUSG auf Online-Coaching nicht anwendbar ist, wenn die Coaching-Sitzungen live und synchron durchgeführt werden. Das Gericht betonte, dass die erforderliche räumliche Trennung, die das FernUSG für die Definition von Fernunterricht verlangt, bei Live-Videokonferenzen nicht gegeben ist, da eine unmittelbare Interaktion zwischen Coach und Teilnehmer besteht.

Im vorliegenden Fall bot ein Coaching-Anbieter seine Dienstleistungen ausschließlich über Live-Videoanrufe an. Der Kläger, ein Kunde, hatte die Dienste des Anbieters in Anspruch genommen, war jedoch der Meinung, dass der Vertrag nichtig sei, da der Anbieter keine Zulassung gemäß § 12 FernUSG hatte. Der Kunde argumentierte, dass die Dienste des Anbieters unter das FernUSG fallen und daher eine Zulassung erforderlich sei. Das OLG Köln entschied jedoch, dass aufgrund der Synchronität und der direkten Interaktion zwischen Coach und Kunde keine räumliche Trennung im Sinne des FernUSG vorliegt. Das Gericht betonte, dass die Live-Interaktionen einen wesentlichen Unterschied zu traditionellen Fernunterrichtsmodellen darstellen, bei denen die Lernenden über einen längeren Zeitraum getrennt vom Lehrenden lernen. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass die Art der Interaktion und die unmittelbare Kommunikation entscheidende Faktoren für die Anwendbarkeit des FernUSG sind.

OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023, Az. 3 U 85/22

Das OLG Celle entschied, dass das FernUSG auch auf Verträge zwischen Unternehmern Anwendung finden kann, wenn der Hauptzweck des Vertrags die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten ist. In diesem Fall wurde ein Coaching-Vertrag aufgrund fehlender Zulassung gemäß § 12 FernUSG für nichtig erklärt. Das Urteil verdeutlicht, dass auch unternehmerische Bildungsangebote den Bestimmungen des FernUSG unterliegen können, wenn sie strukturiert Wissen vermitteln und eine räumliche Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem gegeben ist.

Im konkreten Fall hatte ein Anbieter von Online-Coaching-Dienstleistungen gegen eine Kundin geklagt, die sich weigerte, die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Die Kundin argumentierte, dass der Vertrag nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig sei, da der Anbieter keine Zulassung nach § 12 FernUSG besaß. Das OLG Celle gab der Kundin Recht und erklärte den Vertrag für nichtig, was die Notwendigkeit einer Zulassung gemäß FernUSG unterstreicht, selbst bei unternehmerischen Bildungsangeboten. Der Anbieter hatte ein umfangreiches Coaching-Programm angeboten, das über mehrere Wochen ging und bei dem die Vermittlung von Fachwissen und praktischen Fähigkeiten im Vordergrund stand. Die Entscheidung des Gerichts zeigt, dass selbst wenn der Anbieter sich auf unternehmerische Kunden konzentriert, die Bestimmungen des FernUSG greifen, wenn die Dienstleistung strukturiert und systematisch erfolgt und eine räumliche Trennung vorliegt.

OLG Hamburg, Urteil vom 20.02.2024, Az. 10 U 44/23

Das OLG Hamburg entschied, dass ein überwiegend online und synchron durchgeführtes Coaching nicht als Fernunterricht im Sinne des FernUSG gilt. Das Gericht argumentierte, dass für Fernunterricht eine zeitliche und nicht nur eine räumliche Trennung erforderlich sei. Diese Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit, zwischen verschiedenen Formen des Online-Lernens zu unterscheiden und deren rechtliche Einstufung sorgfältig zu prüfen.

Der Fall betraf einen Anbieter von Online-Coaching, der seine Dienste hauptsächlich über Live-Video-Sitzungen anbot. Ein Kunde beanstandete, dass der Anbieter keine behördliche Zulassung gemäß § 12 FernUSG habe, wodurch der Vertrag ungültig sei. Das Gericht entschied jedoch, dass die Synchronität der Sitzungen und die direkte Interaktion zwischen Coach und Kunde bedeuteten, dass das Angebot nicht als Fernunterricht zu qualifizieren sei und daher nicht unter das FernUSG falle. Der Kunde hatte argumentiert, dass die kontinuierliche Verfügbarkeit des Coaches über eine Plattform sowie die strukturierte Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten das Angebot des Anbieters zu Fernunterricht mache. Das OLG Hamburg stellte jedoch klar, dass die direkte und sofortige Interaktion zwischen Coach und Kunde über Live-Video eine wesentliche Komponente des Angebots darstellt, die es von traditionellem Fernunterricht unterscheidet. Das Gericht betonte, dass die Art und Weise, wie das Coaching durchgeführt wird, entscheidend für die rechtliche Einstufung ist und dass die zeitliche Dimension der Interaktion eine wichtige Rolle spielt.

Praktische Implikationen für Anbieter von Online-Coaching

Anbieter von Online-Coaching müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen des FernUSG genau kennen und beachten, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Insbesondere sollten sie die folgenden Punkte berücksichtigen:

  • Zulassungspflicht: Anbieter, deren Coaching-Angebote als Fernunterricht im Sinne des FernUSG eingestuft werden, müssen eine behördliche Zulassung gemäß § 12 FernUSG einholen.
  • Informationspflichten: Kunden müssen umfassend über die Inhalte, Kosten und Dauer der angebotenen Leistungen informiert werden.
  • Widerrufsrecht: Teilnehmern muss ein Widerrufsrecht gemäß § 4 FernUSG eingeräumt werden, um sie vor unüberlegten Vertragsabschlüssen zu schützen.

Die Einhaltung dieser Anforderungen stellt sicher, dass die Bildungsangebote transparent und fair sind, was wiederum das Vertrauen der Kunden stärkt. Anbieter sollten regelmäßig überprüfen, ob ihre Angebote den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, und bei Bedarf Anpassungen vornehmen.

Konsequenzen bei Verstößen gegen das FernUSG

Verstöße gegen das FernUSG können erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dazu gehören:

  • Nichtigkeit von Verträgen: Verträge, die gegen das FernUSG verstoßen, sind gemäß § 7 FernUSG nichtig. Dies kann zur Rückzahlung bereits geleisteter Zahlungen führen.
  • Bußgelder und Abmahnungen: Anbieter, die gegen die Bestimmungen des FernUSG verstoßen, können mit wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen und Bußgeldern belegt werden.
  • Verlust des Kundenvertrauens: Verstöße gegen das FernUSG können das Vertrauen der Kunden erheblich beeinträchtigen und den Ruf des Anbieters schädigen.

Die Nichtigkeit von Verträgen bedeutet, dass Anbieter zur Rückzahlung der erhaltenen Zahlungen verpflichtet sein können. Dies stellt ein erhebliches finanzielles Risiko dar und kann zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Konsequenzen führen. Zusätzlich können wettbewerbsrechtliche Abmahnungen und Bußgelder verhängt werden, die weitere finanzielle Belastungen darstellen. Anbieter sollten daher alles daransetzen, die gesetzlichen Vorgaben strikt einzuhalten.

Zusammenfassung und Ausblick

Die aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass das FernUSG in bestimmten Fällen auf Online-Coaching anwendbar ist. Anbieter von Online-Coaching-Dienstleistungen müssen die gesetzlichen Anforderungen strikt einhalten, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und das Vertrauen ihrer Kunden zu stärken. Die Entscheidungen des LG München I, OLG Köln, OLG Celle und OLG Hamburg verdeutlichen die Notwendigkeit der Einhaltung der Informationspflichten und der Zulassung gemäß dem FernUSG.

Durch die Einhaltung dieser Regelungen können Anbieter von Online-Coaching rechtliche Sicherheit erlangen und das Vertrauen ihrer Kunden stärken. Dies ist nicht nur aus rechtlicher Sicht wichtig, sondern auch für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg der Anbieter.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Online-Coaching im Kontext des FernUSG sind komplex und unterliegen ständigen Veränderungen. Anbieter von Online-Coaching-Dienstleistungen sollten sich daher regelmäßig über die aktuelle Rechtsprechung informieren und ihre Angebote entsprechend anpassen. Ein regelmäßiger Austausch mit rechtlichen Beratern und die Teilnahme an Fortbildungen im Bereich des Bildungsrechts können helfen, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Anbieter sollten auch die Entwicklungen in der Rechtsprechung aufmerksam verfolgen und flexibel auf Änderungen reagieren, um stets rechtskonforme und qualitativ hochwertige Bildungsangebote bereitstellen zu können.

Beratungsleistungen

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